Wer, wenn nicht wir?

Wir tun so, als würde uns das alles nichts angehen. „Mich überfordert das so“, „Mir ist das alle zu schnell!“ Diese Ausreden nutzen nichts. Wir müssen uns alle mehr für die Digitalisierung interessieren! Wer sonst soll Werte und Erfahrungen vermitteln, wenn nicht wir? Aber wenn wir nicht wissen, was um uns herum geschieht, dann sind wir nur ausgeliefert. Ein Plädyer für weniger Ignoranz und mehr Interesse.

Ich bin kein ‚Boomer‘, aber auch kein ‚digital native‘. Ich bin ein In-Betweener! Ein Analogi und Digitali. Ich habe die Schüler:innen-Zeitung noch mit der Schreibmaschine getippt und mit Rubbelbuchstaben layoutet. Die Abi-Zeitung habe ich dann schon auf 45 Floppy-Disks im Postscript File Format zu einer der wenigen Druckereien in München gebracht, die damals damit schon etwas anfangen konnten. Ich bin gelebte digitale Transformation. Ich bin ein In-Betweener. Ein Vermittler zwischen den Generationen. Kein Held, sondern einer, der sich dazu gezwungen hat, am digitalen Ball zu bleiben. Einer, der sich nicht abhängen lassen wollte.

Fürchtet euch nicht!

Je mehr man sich mit den Themen des digitalen Wandels beschäftigt, desto kleiner wird die Angst davor. Je mehr und je vielschichtiger das neue Wissen wird, desto größer bewertet man die Chancen. Je mehr man sich öffnet, desto mehr erkennt man, wie wichtig es ist, dass man sich in diese digitale Welt einbringt.

Digitale Chancen gestalten & Demokratie schützen

Wer soll die digitalen Chancen gestalten, wenn nicht wir, die In-Betweener. Wer soll ethische und soziale Ansprüche an künstliche Intelligenz, Kryptowährungen, zunehmende Automatisierung, eine sich verändernde Arbeitswelt formulieren, wenn nicht wir?

Wenn nicht wir, deren Eltern teilweise noch Geburtsjahrgänge im zweiten Weltkrieg sind, wer sonst soll den Wert wissenschaftlicher Forschung und deren Erkenntnisse, quellenkritisches Denken und das Hinterfragen von Informationen weitergeben, wenn nicht wir?

Wer soll den Wert der Demokratie weitertragen, wenn nicht wir, die wir noch aus erster Hand von unseren Großeltern erfahren haben, welch hässliche Fratze Hass, Verfolgung, Krieg, Diktatur, Rassismus und Antisemitismus hervorbringt. Wer, wenn nicht wir?

Ein Plakat der Firma Hollerith, die im 19. und 20. Jahrhundert Lochkarten herstellte. Und damit erst die maschinelle Auswertung erhobener Daten möglich machte. Die so in Europa bei Volkszählungen erhobenen Daten, wurden wenige Jahrzehnte später der jüdischen Bevölkerung zum Verhängnis. Dem NS-Regime viel es anhand der maschinellen Datenbestände leicht, in den überfallenen Ländern alle Juden zu identifizieren. Ein historisches Beispiel für mögliche Folgen der Vorratsdatenspeicherung. (Quelle: Vortrag von Daniel Domscheit-Berg, 26.03.2019, in Murnau)

Wer sollte sich eigentlich nicht darüber wundern, dass Desinformation, Hate Speech, Fake News und Deep Fakes spalten, destabilisieren und zerstören? Wir! Wir sollten uns nicht wundern, sondern endlich anfangen uns dafür zu interessieren, was im digitalen Zeitalter eigentlich abgeht! Denn nur was wir kennen, können wir auch beeinflussen.

Permanenter digitaler Hirnfrühling

Jeder und jede hat die Möglichkeit, sich mit den Themen der Digitalisierung auseinanderzusetzten. Niemals zuvor war es so leicht, seine Neugierde zu befriedigen. Lebenslanges Lernen ist nicht mehr das erzwungene Aufsuchen von langweiligen Fortbildungsmaßnahmen, sondern im digitalen Zeitalter ein permanenter Hirnfrühling. Aber das setzt voraus, dass man Neues zulässt. Und das gilt für Arbeitnehmer:innen ebenso, wie für Unternehmer:innen. Es gilt für Senior:innen und Rentner:innen, für Politiker:innen, für Handwerker:innen – es gilt einfach für jeden und jede!

Wissenstransfer in beide Richtungen

Nie zuvor waren die Generationen so sehr auf den gegenseitigen Austausch von Informationen und Know-how angewiesen. Vorbei sind die Zeiten, in denen sich die Alten mitunter eine gewisse Überheblichkeit und Arroganz leisten konnten, weil sie ein faktisches Monopol auf Wissen und Fertigkeiten hatten. Das Internet macht Wissen für alle verfügbar. Es ist Zeit, dass die Alten von ihrem Thron der Überheblichkeit steigen und die Jungen als das wahrnehmen, was sie tatsächlich sind: Partner beim Gestalten unserer digitalen Zukunft.