Eine Horror-Woche: „Jeder Tag des Zögerns kostet uns zusätzliche Wochen, wenn nicht Monate beim Wiederaufbau“.

Ich habe eine Horror-Woche hinter mir. Es ist Freitag, 19 Uhr. Ich bin Wirtschaftsförderer einer kleinen Gemeinde in Bayern. Ich mache nicht Feierabend. Das Telefon klingelt nur gerade nicht. Ich habe die Zeit genutzt, um die Nachrichten des Tages auf Spiegel, Tagesschau, Zeit und SZ durchzusehen. Und ich bin fassungslos, dass es Bundesländer gibt, die den Ernst der Lage noch immer nicht erkannt haben. Dass es noch Länder gibt, die keine Ausgangssperre erwägen, lässt mich an den Fähigkeiten ihrer Chef:innen zweifeln. Es ist fahrlässig. Es gefährdet Unternehmer:innen ebenso, wie Arbeitnehmer:innen. Verplempert keine Zeit, denn das kommt uns alle teuer zu stehen.

Meine Aufgabe ist die Betreuung von Unternehmen, Einzelhändlern, Selbstständigen, Künstler:innen, Reisebüros, Coaches, Blumenläden, Restaurants, Bars, Betreuungseinrichtungen, Illustrator:innen, Cutter:innen, Buchläden, Gastgeber:innen von Ferienwohnungen, Hotels, Gärtnereibetrieben, Zeitschriftenläden… Ich telefoniere und spreche seit dem zurückliegenden Wochenende jeden Tag Stunde über Stunde mit Menschen, die weinen, die verzweifeln, denen das Wasser in wenigen Tagen bis zum Hals stehen wird. Ich spreche mit Menschen, die ob der guten konjunkturellen Lage der letzten Monate zuvor kräftig investiert haben. Mit Menschen, die reichlich Sommerkollektion geordert haben. Mit Menschen, die gerade erst ein Unternehmen gegründet haben, das richtig durchgestartet ist. Und jetzt das.

Sie sind von einem auf den anderen Tag ins Nichts gestürzt. Beraubt sämtlicher Umsätze und Einnahmen. Viele von Ihnen haben keine Reserven für mehr als zwei bis vier Wochen. Sie werden als Solo-Selbstständige bezeichnet und manch einer hält sie für schlechte Unternehmer:innen, weil sie etwas machen, das nicht so viel abwirft, dass man damit locker sechs Monate überleben kann. Für mich sind sie die echten Unternehmer:innen, denn sie haften allesamt mit ihrem Privatvermögen. Sie besetzen Nischen, Leerstand und verhindern emotionale Ödnis in ländlichen Räumen. Und jeder weiß, wovon ich spreche. Jeder kennt Orte, die zwar da sind, aber denen die Seele fehlt.

Wer korrupte Banken rettet, muss jetzt auch den Kleinst-Unternehmer:innen massiv helfen

Diese Menschen machen einen Ort und eine Region aus, die man mag, in der man sich wohlfühlt. Und diese Menschen sind jetzt zurecht in Panik. Sie stehen alle vor dem Nichts. Und es muss ihnen geholfen werden – sofort und massiv.

In Bayern hat die Regierung umgehend eine Sofort-Hilfe bereitgestellt. Ein zweiseitiges Antragsformular – wann hat man das zuletzt bei einer Behörde gesehen. Was für ein Zeichen. Die richtige Entscheidung. Eine schnelle Auszahlung, ohne großes bürokratisches Nachkarteln. 5.000 Euro Sofort-Hilfe für Unternehmen bis fünf Mitarbeiter:innen, die man nicht zurückzahlen muss. Richtig! Gut! Wer korrupte Banken rettet, muss jetzt auch die ehrlichen Kleinst-Unternehmer:innen retten. Sie sind systemrelevant!

Aber auch diese Mittel werden nicht reichen. Deshalb hoffe ich und meine Unternehmer:innen auf die nächste Sofort-Hilfe – vom Bund. Genauso schnell, unkompliziert, pragmatisch. Und dann? Dann sind die Kommunen dran. Ja, die Kommunen!

Bürgermeister:innen! Überschreitet eure Kompetenz! Macht was, damit ihr euren Ort rettet. Geplanter Straßenausbau – kann warten. Neuer Bauhof – kann warten. Neue Kita – auch die kann warten.

Was nicht warten kann, sind die Kleinst-Unternehmer:innen. Wenn sie reihenweise wegbrechen, dann stirbt euer Ort. Dann fügt uns diese Corona-Krise Wunden zu, die Jahre, wenn nicht Jahrzehnte brauchen, bis sie verheilt sind.

Und: Liebe anderen Bundesländer! Handelt jetzt, konsequent. Jeder Tag des Zögerns kostet uns zusätzliche Wochen, wenn nicht Monate beim Wiederaufbau unserer Wirtschaft. Wertvolle Zeit, die wir nicht haben. Das Virus lässt keine Kompromisse zu. Aber es entlarvt Menschen, die nicht wissen, was eine exponentielle Funktion ist.