Shutdown-Lockerung kann lokal schneller gelingen – Bürgermeistern Verantwortung übertragen

Eine schnellere und dennoch sichere Shutdown-Lockerung kann nur gelingen, wenn sie auf lokale Ebenen individualisiert wird. Unsere föderalen Strukturen* enden ja nicht auf Landesebene, sondern auf der Ebene von Städten und Gemeinden und damit bei Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern. Vor der Corona-Krise hatten wir das Jahrhundert der Städte und Gemeinden ausgerufen. Gerade beim Thema Umweltschutz haben wir uns davon bessere und in der Umsetzung schnellere Lösungen im lokalen „überschaubaren“ Kontext erhofft, als von nationalen Regierungen. 

Ein Exit aus dem Corona-Shutdown kann lokal schneller gelingen, als landes- oder bundesweit. Wenn Bürgermeister:innen vor Ort gemeinsam mit dem Gesundheitsamt des Kreises entscheiden, könnten Spielplätze, Geschäfte, Restaurants, Betriebe, Kitas wieder individualisiert öffnen. Denn gerade außerhalb von Ballungszentren haben Kommunen zumeist noch weitgehend den persönlichen Draht zu ihren Bürger:innen oder können in dieser Zeit den Draht zu ihnen wieder herzustellen.

Ich selbst bin niemand, der der Einschränkung seiner Grundrechte tatenlos zusieht, ohne auf die Straße zu gehen. Deshalb wundere ich mich gerade auch über mich. Den Shutdown, die Ausgangsbeschränkungen, trage ich dennoch mit. Weil ich glaube, dass aus den Erfahrungen in anderen Ländern keine andere Reaktion möglich war. Weil niemand Erfahrung damit hatte, was eine Pandemie wirklich bedeutet. Wir sehen, wie sehr dieses Virus die Gesundheitssysteme und auch die politischen und sozialen Systeme in unterschiedlicher Form weltweit offenlegt und teilweise deren Ungerechtigkeit entlarvt. Es ist erschreckend zu sehen, dass Alter, Ethnie, Status, Geld ausschlaggebend dafür sein können, ob man lebt oder stirbt.

In Deutschland können wir feststellen, dass unser System gerade so eben diesem Virus standhält. Diese Aussage ist niemandem Trost, der einen Angehörigen verloren hat. Wir haben gerade deshalb auch gar keinen Grund, uns auf die Schulter zu klopfen. Denn es war scheinbar haarscharf. Haarscharf sind wir an einer ähnlichen Apokalypse vorbeigeschrammt, wie andere europäische oder transatlantische Länder. Hätten wir nur eine Woche länger gezögert, würde es bei uns jetzt anders aussehen.

„Uns wurde ein Horrorszenario versprochen, das ausbleibt und Existenzen vernichtet“, kommentierte ein Facebook-User unter einem meiner Kommentare. Ich finde, das sagt alles. Niemals zuvor hat eine Bundesregierung so schonungslos auf Gefahren reagiert, wie bei Corona. Und dennoch zeigt dieser Kommentar das ganze Dilemma der Politik: „There is no glory in prevention!“ – Wenn die Katastrophe nicht eintritt, werden alle präventiven Maßnahmen als übertrieben wahrgenommen. Selbst dann, wenn es uns gerade deshalb nicht so hart erwischt hat.

Ohne Apokalypse sind die Shutdown-Maßnahmen der Bevölkerung nicht länger in ihrer Gesamtheit vermittelbar. Der Schaden in die Institutionen wächst von Tag zu Tag, wenn Bürger:innen die Sinnhaftigkeit einschneidender Maßnahmen nicht mehr nachvollziehen können. Darum brauchen wir einen Exit-Plan.

Der Shutdown sollte dringend dezentralisiert und in die kommunale Verantwortung übertragen werden. Denn hier kann am besten beurteilt werden, ob und welche Geschäfte, ob und welche Schulen, ob und welche Restaurants und Veranstaltungsstätten wieder geöffnet werden können. Die kleinste Einheit ist nicht das Bundesland, sondern es sind die Kommunen. Gemeinsam mit der entsprechenden Datenlage durch die Gesundheitsämter der Landkreise können sie besser eine zielgerichtete Entscheidung über eine Lockerung der Beschränkungen treffen, als die Bundesländer.

Ich arbeite als Wirtschaftsförderer in einer Gemeinde mit 12.000 Einwoher:innen. In unserer Fußgängerzone haben wir viele Einzelhandelsgeschäfte mit weniger als 100 Quadratmetern. In diesen Läden sind an einem normalen Tag kaum mehr als vier Personen gleichzeitig. Auch viele Betriebe haben meist nicht mehr als 10 Mitarbeiter:innen. Je kleinteiliger ein Wirtschaftsraum ist, desto leichter lässt sich mit einem verantwortungsvollen Umgang auch der Weg aus der Corona-Krise finden. 

Und auch in den meisten Städten gibt es Organisationseinheit in Stadtviertel, gibt es Bezirksausschüsse oder Stadtteil-Bürgermeister:innen. Ein Runterbrechen der Verantwortung auf diese Ebenen könnte nicht nur den Shutdown langsam zurückführen, eine stärkere Beteiligung der Bürger:innen hätte auch den Vorteil, dass der lokale Zusammenhalt und das gegenseitige Verantwortungsbewusstsein gestärkt wird. 

* ) Städte und Gemeinden sind zwar keine „dritte Ebene“ im föderalen Staatsaufbau, aber nach Artikel 28 Absatz 2 des Grundgesetzes (siehe unten) wird ihnen mit dem Recht auf Selbstverwaltung eine gewisse Eigenständigkeit garantiert.

„Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.“