„Bundesregierung diskutiert Schaffung von Entschädigungsfond.“ Juristen uneins über Entschädigungsanspruch nach IfSG.

Aktualisiert 02.04.20 – Regierung von Oberbayern und Gesundheitsamt Garmisch-Partenkirchen sehen ebenso wie einige Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen einen Anspruch von Einzelhändel, Hotelerie, Gastronomie, Schwimmbädern etc. auf Entschädigung in voller Höhe nach dem Infektionsschutzgesetz. Während für amtlich angeordnete Quarantäne Fristen zu wahren sind (3 Monate am Beginn des Arbeitsverbotes), sind für Maßnahmen der Infektionsprophylaxe keine Fristen einzuhalten, aber nach einigen Rechtsmeinung sind die angeordneten Geschäftsschließungen dennoch entschädigungspflichtig – und zwar nach § 65 IfSG (Infektionsschutzgesetz).

Für den juristischen Leihen ist es schwierig den Durchblick zu bewahren, deshalb möchte ich Ihnen stellvertretend für zwei kontroverse Argumentationslinien die nachfolgenden Links empfehlen. Ich möchte mich bedanken, dass diese Informationen allgemeinzugänglich auf den Webseiten zur Verfügung stehen, da sie dem Laien zumindest eine kleine Orientierung geben.

Die Grundlage für das Schließen von Ladengeschäften, Betreuungseinrichungen und die (Teil)-schließung von gastronomischen Betrieben basiert auf der so genannten „Allgemeinverfügung“. Auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) werden PersonenUnternehmen und Einrichtungen der Betrieb und den Mitarbeiter:innen die Tätigkeit untersagt. Wem die Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit verboten wurde, der hat nach §§ 56 ff bzw. § 65 des Infektionsschutzgesetzes Anspruch auf Entschädigung. Die Höhe des Entschädigungsanspruchs bemisst sich dabei nach den Grundsätzen des allgemeinen Schadensersatzrechts: Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er ohne die Anordnung stehen würde. Eine Dreimonatsfrist besteht nur für Personen die erkrankt sind. Zu richten sind die Ansprüche gegen das Land, in dem die Anordnung erlassen wurde.

Pro Entschädigungsanspruch

Michael Falter, Managing Partner Deutschland, DWF Germany Rechtsanwaltsgesellschaft
Hier geht’s zum ganzen Beitrag.

„So regelt §56 IfSG die Ansprüche der sogenannten Störer. In der gegenwärtigen Situation fallen darunter vor allem diejenigen Personen, die wegen Krankheitsverdachts unter Quarantäne gestellt wurden, ohne tatsächlich krank zu sein. Ihnen steht demnach eine Entschädigung in Höhe des Verdienstausfalls für die ersten sechs Wochen zu, danach in Höhe des Krankengeldes. Entsprechend steht auch Selbstständigen ein Ersatz des Verdienstausfalls zu. Sämtliche Ansprüche müssen innerhalb von drei Monaten geltend gemacht werden.

Anders die Situation bei Maßnahmen zur Prävention. Sie fußen auf den Paragraphen 16 bzw. 17 IfSG und betreffen die seuchenhygienischen Nichtstörer. “Nur sie”, so Falter, “sollen nach dem Willen des Gesetzgebers eine Entschädigung erhalten.” Das heißt: Maßnahmen der Infektionsprophylaxe sind entschädigungspflichtig – und zwar nach § 65 IfSG. Maßnahmen der Infektionsbekämpfung hingegen nicht. Denn im ersten Fall seien Nichtstörer betroffen, im zweiten jedoch Störer.

Die Höhe des Entschädigungsanspruchs bemisst sich dabei nach den Grundsätzen des allgemeinen Schadensersatzrechts: Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er ohne die Anordnung stehen würde. Eine Dreimonatsfrist besteht in diesem Fall nicht. Zu richten sind die Ansprüche gegen das Land, in dem die Anordnung erlassen wurde.“

Contra Entschädigungsanspruch

Dr. Holger Schmitz, Rechtsanwalt und Dipl. Geograph, Partner Noerr LLP – Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater
Hier geht’s zum ausführlichen Artikel zu finden unter News vom 13.03.20.

„Das deutsche Verwaltungsrecht kennt für rechtmäßiges Handeln der öffentlichen Verwaltung nur äußerst rudimentär ausgestaltete Entschädigungsansprüche – insbesondere den Anspruch aus enteignendem Eingriff und den sog. Aufopferungsanspruch –, die auf außergewöhnliche Einzelbelastungen beschränkt sind. Der Betroffene ist danach nur deshalb zu einer Entschädigung berechtigt, weil ihm durch den rechtmäßigen hoheitlichen Eingriff ein sog. „Sonderopfer“ abverlangt wird. Ein Sonderopfer ist dann anzunehmen, wenn der Betroffene im Vergleich zu anderen ungleich behandelt wird, wenn er also eine anderen nicht zugemutete, die allgemeine Opfergrenze überschreitende besondere Belastung hinnehmen muss. Obschon die staatlichen Maßnahmen, insbesondere Betriebsschließungen, für viele Unternehmen schwerste, zum Teil existenzbedrohende Folgen haben werden, dürfte ein Sonderopfer im rechtlichen Sinne nicht vorliegen, da die Maßnahmen sämtliche Unternehmen der betroffenen Branchen treffen. Auch im sonstigen öffentlichen Ausgleichsrecht sind Entschädigungsansprüche selten und bei rechtmäßigem Handeln regelmäßig ausgeschlossen. (…)

Es ist bei alledem nicht ausgeschlossen, dass die nun zunehmend angeordneten Betriebsschließungen zumindest in Teilen unverhältnismäßig und damit rechtswidrig sind – nicht zuletzt angesichts der damit verbundenen weit reichenden und sehr eingriffsintensiven Maßnahmen, die für viele Betriebe sogar auch existenzgefährdend sein können. In solchen Fällen kämen Entschädigungsansprüche (etwa Amtshaftungsansprüche oder Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff) in Betracht. (…)

Vor diesem Hintergrund ist es Sache des Gesetzgebers, Entschädigungen für von Betriebsschließungen infolge der Corona-Krise betroffene Unternehmen und Betriebe einzuführen. Offenbar wird in der Bundesregierung die Schaffung eines Entschädigungsfonds diskutiert; der genaue Sachstand ist jedoch unbekannt. Andere EU-Mitgliedstaaten haben solche Maßnahmen offenbar bereits ergriffen, und die EU-Kommission erachtet solche Maßnahme beihilferechtlich grundsätzlich für zulässig.“

Rechtsanwält:innen empfehlen ihren Klient:innen in Rundmails:

„Laufende Betriebskosten für Geschäfte im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes geltend machen. Händler sollten zügig Anträge bei Behörden stellen. Da es im Einzelfall lange dauern kann, bis die zuständige Behörde einem solchen Antrag zustimmt, sollten die Betroffenen zeitgleich einen Eilantrag beim jeweiligen Verwaltungsgericht stellen. Nur so kann gewährleistet werden, dass eine Zahlung durch den Staat erfolgt, ehe dem Unternehmer die liquiden Mittel ausgehen. Da die Verwaltungsgerichtsbarkeit selber im Zuge der Coronakrise nach und nach eingeschränkt wird, ist doppelte Eile ratsam.“

Winheller Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Frankfurt am Main, www.winheller.com

Zur Überprüfung der eigenen Frist je nach Branche, bitte hier die Allgemeinverfügung I und Allgemeinverfügung II studieren.

Die Beantragung einer Verdienstausfallentschädigung ersetzt nicht das Kurzarbeitergeld und sollte, wenn betrieblich geboten, zusätzlich beantragt werden.

* Angaben ohne Gewähr.